Entscheiden in Unsicherheit – Wie Führung in Bewegung bleibt
- OKR Institut
- 25. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Nov.

In Zeiten, in denen sich Märkte, Technologien und Erwartungen im Wochentakt verändern, verliert Planung ihren alten Glanz. Entscheidungen, die gestern richtig waren, wirken heute oft fragwürdig. Und doch müssen Führungskräfte handeln – mit teilweise unvollständigen Informationen, unter Druck, vor Publikum. Es gibt kaum einen Zustand, der stärker verunsichert, und kaum einen, der so sehr zur Aufgabe von Führung gehört.
Wer unter Unsicherheit führen will, braucht weniger Mut zum Risiko als Mut zur Klarheit. Denn Unsicherheit verschwindet nicht durch längere Analysen oder ausgefeiltere Tools, sondern durch das Bewusstsein, dass sie normal ist. Die Frage ist also nicht, wie man sie vermeidet, sondern wie man mit ihr umgeht.
Wenn Analyse lähmt - das Paradox moderner Führung
In vielen Unternehmen herrscht ein unausgesprochener Reflex: Wenn die Lage unklar ist, wird noch gründlicher analysiert. Man sucht nach Daten, Benchmarks, Vergleichszahlen. Doch wer in einem beweglichen Umfeld zu lange auf Sicherheit wartet, verliert Zeit – und damit Handlungsspielraum.
Gerade die besten Führungskräfte spüren dieses Dilemma besonders deutlich: Sie wissen, dass Entscheidungen notwendig sind, obwohl Wissen fehlt. Das führt häufig zu Verzögerungen, zu endlosen Abstimmungsrunden oder zu Entscheidungen, die so allgemein sind, dass sie niemandem wehtun – und nichts bewirken.
Besser ist es, Entscheidungen nicht als einmalige Handlung zu begreifen, sondern als fortlaufenden Prozess: Beobachten, entscheiden, handeln, prüfen, anpassen. Damit entsteht ein Kreislauf, der Bewegung nicht verhindert, sondern strukturiert.
➡ Lesen Sie auch: Komplex oder kompliziert? – warum manche Probleme sich nicht planen, sondern nur ertasten lassen.
Prinzipien statt Checklisten
In einer stabilen Welt genügen Regeln. In einer unsicheren braucht es Prinzipien!
Prinzipien sind die leisen, aber klaren Leitplanken, an denen man sich orientieren kann, wenn das Gelände unübersichtlich wird. Sie ersetzen die Illusion von Kontrolle durch eine Haltung, die Orientierung bietet, ohne starr zu sein.
Einige Organisationen arbeiten mit Prinzipien wie:
„Wir entscheiden so nah wie möglich an der Information.“
„Wir korrigieren früh, statt Fehler zu verstecken.“
„Transparenz schlägt Hierarchie.“
Solche Leitsätze sind kein Schönwetterinstrument. Sie wirken vor allem dann, wenn Druck entsteht. Wenn sie gemeinsam im Führungsteam entwickelt werden, entlasten sie – weil sie Verantwortung teilen, ohne Entscheidungsfähigkeit zu schwächen.
Lernen als Teil der Entscheidung
Führung, die sich als lernend begreift, trifft keine endgültigen Urteile. Sie trifft Hypothesen, die überprüft werden können. In adaptiven Organisationen sind Entscheidungsroutinen deshalb eng mit Feedback-Schleifen verbunden. Statt nach Erfolg oder Misserfolg zu suchen, wird gefragt: Was zeigt uns dieses Ergebnis? Was lernen wir daraus?
Gerade das OKR-Framework bietet hier Struktur. Es zwingt dazu, jede Entscheidung an überprüfbare Ergebnisse zu knüpfen – nicht, um Kontrolle zu erhöhen, sondern um Lernen sichtbar zu machen. Wenn ein Team feststellt, dass ein Ziel verfehlt wurde, heißt das nicht, dass es gescheitert ist. Es hat lediglich eine Hypothese getestet, deren Annahmen sich nicht bestätigt haben. Genau darin liegt Fortschritt.
Führung als Raum, nicht als Richtung
Unsichere Situationen verlangen weniger schnelle Antworten als stabile Räume.Führung heißt heute, Bedingungen zu schaffen, in denen Entscheidungen entstehen können – durch Austausch, Perspektivenvielfalt und gegenseitiges Vertrauen.
Das bedeutet auch, regelmäßig über getroffene Entscheidungen zu sprechen. Nicht, um sie zu rechtfertigen, sondern um sie zu verstehen. Viele Unternehmen führen deshalb kurze monatliche Decision Reviews ein: Teams blicken gemeinsam zurück, welche Entscheidungen getroffen wurden, welche Annahmen sich bewährt haben – und wo sie irrtümlich lagen.
So entsteht mit der Zeit eine neue Art von Sicherheit: nicht durch Vorhersehbarkeit, sondern durch Lernfähigkeit.
Ruhe als Führungsqualität
In unsicheren Zeiten suchen Menschen keine perfekten Antworten, sondern ruhige Orientierung. Wer als Führungskraft transparent macht, dass Unsicherheit Teil des Spiels ist, nimmt Druck aus dem System. Statt hektisch Sicherheit zu versprechen, lohnt es sich, Gelassenheit zu zeigen: Entscheidungen treffen, Verantwortung tragen, anpassen, weitermachen.
So entsteht Vertrauen – und genau das ist die Grundlage jeder belastbaren Organisation.
Oder, in einem Satz: Führung in Unsicherheit heißt, Bewegung auszuhalten und zugleich Richtung zu geben.
Fazit
Entscheidungen unter Unsicherheit sind keine Schwäche moderner Organisationen, sondern ihre Realität. Wer sie annimmt, anstatt sie zu bekämpfen, bleibt beweglich. Prinzipien, Feedback und offene Lernprozesse machen den Unterschied zwischen Führung, die reagiert – und Führung, die gestaltet.

